Kreativ zweifeln - Im Gespräch mit Angie Hoffmeister
Zwischen Selbstzweifel und Schaffenskraft: Interviews über die Kunst, an sich selbst zu glauben.
Kreative arbeiten oft allein – nicht nur im Schaffensprozess, sondern auch bei Akquise und Selbstvermarktung. In einem sich ständig wandelnden, konkurrenzstarken Markt kann das ganz schön herausfordernd sein. Druck und Zweifel? Die kennt wohl jede:r.
Mit meinem neuen Interview-Newsletter „Kreativ zweifeln“ möchte ich genau darüber sprechen. Ich stelle regelmäßig Kreative vor und frage sie nach ihren Zweifeln, ihren Antrieben und ihrem Umgang mit Herausforderungen. Denn eines ist sicher: Wir sind nicht allein.
Im Gespräch mit Angie Hoffmeister
Angie Hoffmeister ist eine in Düsseldorf lebende Illustratorin, die sich auf traditionelle Kunstformen wie Bleistiftzeichnungen, Tuschmalerei und Druckgrafik spezialisiert hat.
Sie studierte von 2009 bis 2016 an der bekannten Kunstakademie Düsseldorf und nahm an Gruppenausstellungen sowohl in Deutschland als auch international teil.
Sie illustrierte Buchcover, wie die chinesische Ausgabe von „Until I Find You“von John Irving, fertigte Illustrationen für die Jubiläumsaufgabe von „If We Were Villains“ von M.L.Rio,
und hat vor Kurzem die Arbeit am dritten Buch der amerikanischen Autorin Shirley Jackson („The Haunting of Hill House“, „We Have Always Lived in the Castle“, „The Lottery“) abgeschlossen, das vom britischen Verlag The Folio Society im Februar 2025 veröffentlicht wird.
Hoffmeister verwendet eine gedämpfte Farbpalette in ihren Tuschmalereien und Zeichnungen. Sie illustriert sowohl Kinderbücher als auch Literatur für Erwachsene und arbeitet hauptsächlich in Skizzenbüchern in allen Formen und Größen.
Angies Arbeit lernte ich durch eine Instagram-Buch-Challenge zu Pinocchio kennen, an der wir beide teilnahmen. Ihre Werke hinterließen einen so starken Eindruck bei mir, dass ich ihr seitdem mit besonderer Zuneigung und Aufmerksamkeit folge.
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Wie bist du Illustratorin geworden? War das schon immer dein Traum oder hat sich dieser Weg erst später entwickelt?
Ich habe 2009 angefangen, Freie Kunst zu studieren. Schnell habe ich gemerkt, dass ich immer einen Spagat machen musste: Bilder fürs Studium und Bilder für mich. Als ich mich für das Studienfach entschieden hatte, war mir der Unterschied einfach nicht bewusst. Mein gesamtes Studium lang wurden meine Bilder dann aber doch oftmals als „illustrativ“ bezeichnet, was eine ganz klare Abwertung war. Es hat dann einige Jahre gedauert, das wieder komplett abzuschütteln und einfach nur noch zu machen, worauf ich Lust hatte.
Was inspiriert dich in deinem kreativen Alltag?
Definitiv Bücher, Geschichten und Erinnerungen. Ich fahre außerdem gern in andere Städte in Europa und gehe dort in die Museen, da sind in der Vergangenheit auch immer viele Ideen entstanden. Dass ich angefangen habe, Harry Potter zu illustrieren, hat zum Beispiel definitiv mit meiner ersten Reise nach Schottland Ende letzten Jahres zu tun.
Wie sieht dein Arbeitsprozess aus, wenn du ein neues Projekt beginnst – sei es ein Auftrag oder ein eigenes Herzensprojekt?
Meistens entwickeln sich solche Ideen erstmal langsam nur in der Theorie. Vieles verwerfe ich und vergesse es einfach. Andere Dinge beginne ich dann in Skizzenbüchern auf dem Papier „weiterzudenken“. Ich sammele und suche mir Bilder, die ich entweder einklebe oder ich mache mir tatsächlich ein Pinterest Board dafür, und dann beginnt das Skizzieren und das Zeichnen. So fange ich eigentlich alles an, ob Auftrag oder nicht.
Mit welchen Materialien arbeitest du am liebsten?
Ich liebe es simpel. Ich möchte überall arbeiten können, und ich möchte nicht auf ein großes Atelier angewiesen sein. Früher habe ich auch mal Druckgrafik in riesigen Formaten gemacht und ich möchte die Erfahrung nicht missen, aber jetzt mit meinen vier Stiften und zwei Zeichenbüchern fühle ich mich freier. Ich arbeite mit Druckbleistiften mit verschiedenen Minen, und dann habe ich sehr lange Zeit in Moleskine Bücher gezeichnet, die habe ich aber letztes Jahr abgelöst - ich zeichne parallel in ein A5 und ein A4 Buch.
Welche Herausforderungen begegnest du bei der visuellen Umsetzung von Themen?
Ich sehe die Hürden nie vorher, aber es gibt immer welche. Bei meinem letzten Buchprojekt für The Folio Society, „The Lottery and Other Dark Tales“ von Shirley Jackson, da lief es zu Beginn so reibungslos, dass ich schon misstrauisch wurde. Irgendwann kam ich dann zu einem Bild, dem Design der Box der limitierten Auflage, und konnte meine ursprüngliche Idee nicht umsetzen. Die Tuschemalerei mit dem Detailreichtum auf der zu kleinen Fläche, das sah einfach nicht gut aus. Daran habe ich mir die Zähne ausgebissen, über Tage immer und immer wieder von Vorne angefangen, bis ich dann das Design vollkommen geändert habe. Ansonsten muss ich sagen, dass ich mit Auftraggebern immer Glück hatte und es eine sehr positive und produktive Kommunikation gab.
Arbeitest du lieber allein oder suchst du den kreativen Austausch mit anderen?
Ich arbeite immer allein, aber wenn ich mit der Arbeit fertig bin, spreche ich gern mit anderen darüber. Ich finde, dass man von anderen sehr viel lernen kann und manchmal Anregungen bekommt, die einem die Augen öffnen können.
Wie gehst du mit der Aufgabe um, dich selbst und deine Arbeit zu vermarkten?
Ich bin hin und her gerissen, was das angeht. Bei der Arbeit mit Verlagen fühle ich mich verpflichtet, an der Vermarktung des Produktes aktiv teilzunehmen, und das mache ich auch gern. Aber wenn es um persönliche Projekte geht, dann liegt mir das nicht so sehr. Ich versuche es, habe zum Beispiel auch angefangen auf Instagram Reels zu filmen auf denen man meine Hände beim Zeichnen sieht, aber mich selbst vor die Kamera zu stellen und zu sprechen, das wäre mir ein absolutes Gräuel. Auf der anderen Seite möchte ich natürlich auch das Gefühl haben, dass meine Zeichnungen gesehen werden und ich nicht nur für die Schublade arbeite.
Hast du Strategien, um dich nicht von der Konkurrenz einschüchtern zu lassen?
Ich sehe andere Illustratoren nicht als Konkurrenten, sondern als Verbündete. Ich muss dazu sagen, dass ich als Lehrerin arbeite und daher keinen Druck habe, mit dem Illustrieren eine Existenz zu unterhalten. Aber ich denke so oder so, wir erleben ähnliche Sorgen und Ängste und Probleme, und daher sollten wir uns gegenseitig unterstützen. Ganz besonders in einer Welt, in der KI uns bedroht und in der sich alles nur um Werbung und ums Verkaufen zu drehen scheint.
Kennst auch du Momenten der Einsamkeit oder kreativen Zweifeln?
Ich zeichne seit zweiundzwanzig Jahren mal mehr und mal weniger, und ich kann mir mein Leben nicht ohne vorstellen. Ich habe es nie aufgegeben und ich glaube auch nicht, dass ich das je werde. Es gibt so vieles zu lernen und man kann sich noch so sehr verbessern, und selbst wenn man nur vor sich hin zeichnet und es niemandem zeigt, hat das auch seinen Wert. Es gibt so viele fantastische Zeichner und Maler in der Welt, das habe ich permanent im Hinterkopf. Ich fühle mich nicht als etwas besonderes, und ich denke ich kann mit vielen nicht mithalten, aber irgendwie macht mir das einfach nicht so viel aus. Ich mache einfach weiter, weil ich das schon immer so gemacht habe.
Gab es Momente, in denen du darüber nachgedacht hast, deine kreative Arbeit aufzugeben?
Da ich ja als Lehrerin arbeite und nicht den Druck habe, zeichnen zu müssen, nehme ich mir manchmal Auszeiten von ein paar Wochen. Wenn man ein Projekt abgegeben hat und die Zeit vor der Frist sehr stressig war beispielsweise. Solche Ruhephasen sind für mich wichtig, weil ich etwas Abstand gewinnen kann und die Motivation von allein wieder zurück kommt. Aufgeben wollte ich das Ganze noch nie.
Was wünschst du dir für die Zukunft der Kreativbranche?
Ich wünsche mir online einen neuen Ort für Austausch und zum zeigen und sehen von Kunst und Illustrationen, nachdem Instagram leider die Entwicklung durchgemacht hat, die viele von uns miterlebt haben. Außerdem hoffe ich, dass wir gesamtgesellschaftlich einen guten Umgang mit KI und KI „Kunst“ finden werden.
Gibt es ein Projekt oder eine Idee, die du gerne umsetzen würdest, dich aber bisher nicht getraut hast?
Aktuell stecke ich mitten in einem Projekt drin, und darauf bin ich voll konzentriert. Ich würde gern auch Klassiker illustrieren, aber da ich nur sehr begrenzt Zeit habe, versuche ich mich nicht zu sehr mit den weiteren Möglichkeiten zu befassen, um fokussiert zu bleiben.
Wie wichtig ist der Austausch mit anderen Kreativen für dich?
Ich finde Austausch und Gemeinschaft sehr wichtig - Wenn ich mich beispielsweise an die Corona Zeiten erinnere, dann denke ich nur wenig an all die Einschränkungen, mit denen wir alle leben mussten, sondern viel mehr an das Gefühl von Gemeinschaft und die Kommunikation, die Carson Ellis in dieser Zeit mit ihrem Hashtag Transmundanetuesdays erschaffen hat. Das war wirklich etwas ganz besonderes.
Wie gehst du mit Kritik um, wenn sie kommt?
Ich kann ziemlich gut mit Kritik umgehen, und wenn diese konstruktiv ist, bin ich richtig dankbar dafür. Immerhin macht sich da jemand die Arbeit und nimmt sich die Zeit, also scheint es der Person nicht egal zu sein, was an sich eine tolle Sache ist. Wenn ich mit sehr harter und beleidigender Kritik konfrontiert bin (was sehr selten passiert), dann habe ich damit auch kein Problem - glücklicherweise habe ich in meinem Studium eine sehr dicke Haut entwickelt.
Ist dir Feedback dennoch wichtig für deiner Arbeit?
Feedback ist immer wichtig, denn manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Besonders wenn ich mit der Nase drei Zentimeter über dem Papier hänge und fünf Stunden irgendwelche Bäume und Hügel oder Haare schraffiere, verliere ich oftmals den Blick fürs Ganze. Wenn mir dann jemand über die Schulter schaut und mich auf irgendetwas hinweist, das nicht ganz stimmig ist, dann ist das Gold wert.
Wenn du ein Visionboard für die nächsten fünf Jahre erstellen könntest: Wo siehst du dich und deine Arbeit in dieser Zeit?
Ich möchte die Dinge einfach laufen lassen und sehen, was kommt. Solange meine Hände und Augen mich nicht im Stich lassen und ich genug Bleistiftminen auf Lager habe, wird es schon in Ordnung sein.
Hast du Vorbilder oder Kreative, die dich besonders inspirieren?
Da gibt es ehrlich gesagt so viele, dass ich eine riesige Liste schreiben könnte. Ich nenne immer gern den ersten Künstler, der mich nachhaltig beeinflusst hat. Das war Heinrich Vogeler, der in der Künstlerkolonie Worpswede gearbeitet hat. Ich bin in der Nähe von Bremen zur Schule gegangen und ein Lehrer hat mit uns Worpswede besucht. Ich war so begeistert von Vogelers Druckgrafiken, das hat mich nie losgelassen. Ich vermute auch, dass ich noch immer am liebsten mit Bleistiften arbeite, weil mich das an die Ästhetik von Druckgrafiken erinnert.
Wenn ihr mehr von Angie Hoffmeisters Arbeit sehen wollt, schaut auf Ihrer Website vorbei:
www.angiehoffmeister.com
Ihr findet sie auch auf Social Media:
Instagram: @angiehoffmeister