Zuhause
September ist mein Geburtstagsmonat. Ich verbinde ihn deshalb mit vielen schönen Erinnerungen. Aber auch unabhängig davon ist er für mich ein besonderer Monat. Er markiert das Ende des Sommers, und damit auch das Ende von Hitze und Dürre, aber ebenso von Schwimmen, langen Abenden und der üppigen Gartenzeit. Zum Glück ist es ein sanftes Ende, begleitet von vielen bunten Blüten und Blättern.
Im letzten Newsletter durfte ich mein neues Buch ankündigen, und ich danke allen, die schon vorbestellt haben. Zweite Teile sind immer eine kleine Herausforderung: Manche wünschen sich noch einmal Band eins, andere finden Fortsetzungen zu nah am Original. Schön ist, dass dieses Buch auch ganz für sich stehen kann. Nach so viel stiller Arbeit ist es ein seltsames Gefühl, wenn das Manuskript plötzlich veröffentlicht wird. Zum Glück bleiben mir noch ein paar Wochen, um mich innerlich darauf einzustimmen.
Nun darf ich aber schon wieder etwas ankündigen. Diesen Monat erscheint außerdem eine Ausgabe der Landlust Zuhause, in der eine Reportage über unser Haus zu sehen ist. Es ist ein ungewohntes, fast eigenartiges Gefühl, die eigenen Wohn- und Privaträume in einem Magazin wiederzufinden. Mein Sohn fragte: „Aber warum zeigen die denn unser Haus?“ So ganz konnte ich ihm das nicht beantworten. Ich sagte ihm, vielleicht weil es schön und ein wenig ungewöhnlich ist, mit seinen bemalten Wänden und den vielen Pflanzen. Weil andere so vielleicht nicht wohnen und weil es Anregung sein kann, Wände nicht bloß einfarbig zu streichen, sondern sie als große Leinwände zu begreifen.
Ich habe eigentlich immer mal wieder in ungewöhnlichen Häusern gelebt, oder besser gesagt in unkonventionellen. Oft waren sie improvisiert, oft wurden sie von unkonventionellen Menschen bewohnt. Meine Eltern zum Beispiel lebten in einer großen WG in einem alten Fachwerkhaus. Manche Wände waren bemalt, die Raumaufteilung war eigen, und es war voller Dinge: Bücher, CDs, Materialien – und voller Menschen. Im Erdgeschoss lag unsere Küche, dahinter hatte mein Vater seine Werkstatt und sein Büro. Er ist Elektroingenieur und betreut die EDV verschiedener Firmen und Einrichtungen. Seine Angestellten und Kollegen kamen morgens durch unsere Küche, tranken mit uns einen Kaffee und verschwanden dann hinter einer provisorischen Wand ins Büro. Das war ungewöhnlich.
Ungewöhnlich war auch, dass wir im Hinterhof Hühner hielten. Meine Mutter scheuchte sie morgens durch die Küche und den Flur in den kleinen Vorgarten, wo sie den Tag verbrachten, um sie abends wieder zurückzutreiben – durch Flur und Küche hinein in den alten Tischlerschuppen. Meine Mutter ist gelernte Schreinerin, und eigentlich hatte ein Freund von ihr, ebenfalls Schreiner, in diesen Schuppen einziehen wollen. Am Ende zog er aber doch auf ein Hausboot, und so blieben seine Werkzeuge, das Holz, die Werkbänke und sogar eine gegossene Betondusche, modelliert nach der Kontur seiner Exfrau. In dieser „Konturdusche“ hatten die Hühner später ihre Legenester.
Ich habe auch eine Zeit lang in einem Hinterhaus gewohnt und kurz mit meinen Eltern in einer alten Mühle am Waldrand, in der sie heute noch leben. Es war immer ungewöhnlich, immer voll. Räume wurden ständig getauscht, umfunktioniert und ergänzt durch die ausufernde Sammelleidenschaft meiner Eltern.
Vor diesem Hintergrund kam mir unser jetziges, ziemlich normal geschnittenes Haus fast gar nicht mehr ungewöhnlich vor. Wenn Besucher sagen: „Das ist aber ein außergewöhnliches Haus!“, denke ich oft, sie übertreiben maßlos. Denn bunte Wände sind nun wirklich nicht außergewöhnlich – nur bunt. Aber wenn ich mich von meiner eigenen Geschichte löse und die Perspektive anderer einnehme, dann verstehe ich schon, was sie meinen.
Vom Haus meiner Kindheit habe ich euch jetzt erzählt – über das Haus, in dem ich heute lebe, berichtet zum Glück die Landlust. Und das so freundlich und informativ, dass ich ihr sehr dankbar bin.
Das Heft bekommt ihr im Zeitschriftenhandel oder hier ab dem 05.09.2025